„Die einzige Grenze die existiert, ist die in deinem Kopf“

 

Der Satz kann beflügeln und dazu ermutigen, „Out-of-the-Box“ zu denken. Sich endlich zu trauen, den nächsten Schritt zu gehen.

Gleichzeitig kann dieser Satz für jemanden bedeuten, dass Grenzen etwas schlechtes sind. Aber so eindeutig ist das nicht.

Grenzen können negativ UND positiv sein.

 

Sie können dich klein halten UND sie können dir helfen zu wachsen. Manchmal ist es die Herausforderung, eine Grenze zu überschreiten und manchmal ist es die Herausforderung, eine Grenze zu setzen.

 

„Der will dich dominieren.“ „Das darfst du dir nicht bieten lassen.“ „Du musst in der Lage sein, jeden ihrer Schritte zu kontrollieren.“

„Ich arbeite komplett ohne Druck.“ „Ich arbeite nur mit positiver Verstärkung.“ „Mit jedem NEIN verunsicherst du dein Tier.“

 

2 extreme Positionen in der Trainerwelt und überhaupt im Umgang mit Tieren. Beides existiert und ist weit verbreitet. Besonders in Social Media habe ich oft den Eindruck, als ob die unzähligen Varianten zwischen diesen Polen so leise sind, dass sie gar nicht wahrgenommen werden.

Meiner Meinung nach fördern beide Haltungen in ihren Extremen wiederum nur das Zementieren von Grenzen. Beide Haltungen schränken dich und dein Tier in euren Möglichkeiten ein.

 

Natürlich geben sie auch Sicherheit. Aber wenn du die Grenzen einfach von anderen übernimmst und dich einem System und einer bestimmten Methode unterordnest, verlierst du leicht den Kontakt zu dir zu und deinem Tier.

 

Daher finde ich es wichtig immer wieder zu hinterfragen:

  • Fühle ich mich mit diesen Grenzen wohl?
  • Sind sie zu eng?
  • Sind sie zu weit?
  • Was würde es bedeuten, wenn ich sie verschieben könnte?
  • Fühlt sich die Grenze nur so angenehm an, weil sie mich in meiner Komfort-Zone hält?

Diese und ähnliche Fragen kannst du auch für dein Tier stellen. In meinen Coachings fange ich allerdings immer mit dem Menschen an und nicht mit dem Tier.

Die Menschen kommen zwar meistens zu mir, weil sie etwas an ihrem Tier verändern wollen, aber eins ist klar:

 

Du kannst kein anderes Lebewesen verändern.

 

Jedenfalls nicht, wenn du kein totalitäres System aufbauen willst. Ich möchte das nicht. Ich möchte auch kein Tier, dem die Freiwilligkeit, das eigene Denken und die Äußerung einer eigenen Meinung verboten oder wegkonditioniert wurde.

 

Eine gute Beziehung basiert für mich auf einer offenen Kommunikation. Eine Kommunikation, in der Mensch und Tier ihre eigene Meinung äußern dürfen.

 

Erst durch diesen Austausch formt sich die Beziehung. Das Setzen, das Akzeptieren und auch das Verschieben von Grenzen helfen euch dabei, eure Beziehung zu gestalten und zu entwickeln.

 

Dabei ist das Setzen und Auflösen von Grenzen nichts statisches, sondern ein Kommunikationsprozess, der immer in Bewegung ist.

 

Wie sieht das in der Praxis aus?

Riesiger Hund links und kleiner Hund rechts - Tierkommunikation

Egal ob dein Pferd mit dir im Galopp vom Platz rast, du dich nicht traust auszureiten oder dein Hund aggressiv auf andere Hunde reagiert.

Es macht immer Sinn, die Situation aus dem Blickwinkel zu betrachten, wie du selbst die Rahmenbedingungen so gestalten kannst, dass du für dein Tier eine neue Tür öffnest. Zu den Rahmenbedingungen zählen für mich auch deine Gedanken, Gefühle und deine innere Einstellung.

 

Im Gespräch fallen dann schnell Sätze wie: „So bin ich halt.“ „Das geht mit meinem Tier nicht.“ „Das habe ich schon alles versucht.“

 

Bestimmt kennst du solche Gedanken. Das sind typische Beispiel für selbst gesetzte Grenzen. Die gilt es im ersten Schritt zu entdecken, bevor du sie überhaupt verändern kannst.

 

Oft fallen uns diese Gedanken gar nicht mehr auf. Wir halten sie für die Wahrheit. Die Grenzen erscheinen uns festzementiert. Das sind die klassischen Glaubenssätze.

 

Damit begrenzt du dich nicht nur selbst, sondern es ist auch eine schöne Ausrede, gar nicht erst ins Tun zu kommen.

Ich kenne Menschen, die jahrelang nie mit ihrem Pferd eine Runde im Wald gedreht haben. „Das geht mit meinem Pferd nicht.“ Dahinter steht aber immer – der oft im Unterbewusstsein versteckte – Gedanke: „Das traue ich mir nicht zu.“ Oder „Ich bin zu faul, daran zu arbeiten.“

 

Letzteres ist natürlich nicht so schmeichelhaft.  Aber wenn du etwas verändern möchtest, dann ist es wichtig, dem was ist, glasklar ins Auge zu schauen. Ohne zu bewerten und ohne dich selber runter zu machen und dich abzuwerten. Du machst es mit Sicherheit nicht, um dich oder dein Tier zu ärgern, sondern weil du bisher einfach nicht anders handeln konntest.

 

Was ist das ist. Aber das heißt überhaupt nicht, dass es so bleiben muss. Und das ist das Gute daran.

 

 

 

Eine Veränderung bedeutet, eine Grenze im Kopf zu verschieben.

Eine Veränderung bedeutet, deine Sichtweise auf etwas zu verändern, das Thema anders wahrzunehmen und neue Gefühle entstehen zu lassen.

Das ist keine kognitive Aktion, sondern etwas, das sich entwickelt. Daher ermutige ich meine Coachees immer, sich selbst und ihren Tieren Zeit zu lassen. Wir wünschen uns so oft, einfach den Schalter umzulegen. Aber meistens ist es ein organisches Wachsen und sich entfalten.

Eine persönliche Grenze zu verschieben und zu überschreiten bedeutet, neue Gefühle und Gedanken zuzulassen. Das Bild, das du von dir, von deinem Tier und der Welt hast, zu hinterfragen. Das kann extrem spannend und energiegebend sein, aber manchmal auch beängstigend und verunsichernd.

 

Zielscheibe als Sinnbild für Zielorientierung

Das Überschreiten einer persönlichen Grenze kann auch bedeuten, dass du im Außen eine Grenze setzt. Ein deutliches und klares NEIN! Kann sehr viel Sicherheit geben.

 

Die Grenzen deines Tieres akzeptieren

Grenzen deines Tieres respektieren; Tierkommunikation

So wie jeder Mensch hat auch jedes Tier seine individuelle Grenze. Die kann sowohl physisch als auch psychisch sein.

Aus meiner Galga Koko wird wahrscheinlich keine Deutsche Agility Meisterin. Meine Trakehner Stute Smilla wollte lange Jahre nicht im Gesicht gestreichelt werden.

 

Ich finde es wichtig, dass du auch deinem Tier erlaubst, seine Grenzen klar zu kommunizieren. Auch hier gelten für mich die Phasen: I. Wahrnehmen  II. Annehmen  III. Blockaden auflösen IV. Grenzen erweitern. Aber bitte die Phasen III und IV nur, wenn auch dein Tier dazu bereit ist.

 

Oft ist es für Menschen schwer, die Grenzen des eigenen Tieres nicht durch die emotional gefärbte Brille zu sehen. Die Grenze besagt weder, dass dein Tier dich nicht mag noch, dass es die Herrschaft über dich oder die ganze Welt übernehmen will.

Dein Tier hat eigenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, die es mit in eure Beziehung bringt. Gleichzeitig spiegelt und beeinflusst ihr euch wechselseitig.

Also ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, bei dem es oft nicht mehr möglich ist, die Ursache zu ermitteln. Das ist auch nicht unbedingt nötig, denn durch eine Veränderung bei dir kannst du bereits eure gesamte Beziehung verändern.

Eine konkrete Übung kannst du z.B. beim gemeinsamen Gehen mit deinem Tier machen: Wo liegt deine eigene Grenze bezüglich Nähe und Distanz? Ist das bei deinem Tier ähnlich oder hat es eine andere Grenze? Ist dein Tier dir zu nah, dann darfst du das natürlich klar kommunizieren. Und genauso darfst du die Grenze, die dein Tier setzt, akzeptieren. Im Prinzip so, wie du das auch bei einem Menschen machen würdest.

Wie hältst du es mit Grenzen in Bezug auf die Menschen, denen du begegnest? Sind sie ähnlich nah oder ähnlich weit wie bei deinem Tier? Oder ist es genau entgegengesetzt? Fällt es dir bei deinem Pferd schwer, deine Wohlfühl-Distanz einzufordern? Fällt es dir schwer, deinen Hund von deinem Lieblingsplatz auf dem Sofa wegzuschieben? 

Wo in deinem Leben würdest du gerne eine Grenze setzen, tust es aber nicht?  Wo in deinem Leben hättest du gerne den Mut, die gesetzten Grenzen zu öffnen?

 

Jetzt macht es wieder Sinn.

 

„Die einzige Grenze die existiert, ist die in deinem Kopf.“